Nein
Von Anfang an, da reden sie auf mich ein,
Autor: Lisa Lohrmann
Von Geburt an, ganz klein, kann kaum auf eigenen Füßen stehen,
Geschweige denn gehen oder reden oder verstehen, was das soll,
Doch schon kommen diese Sätze, diese Phrasen,
Das mundtote Volk setzt sich auf und abgedroschen rollt die Lawine auf mich zu.
“Schätzchen, vergiss nie zu lächeln, dann siehst du doch viel freundlicher aus!”
Doch wie ich lächeln soll, das bleibt geheim,
Wie soll ich lächeln, wenn ich nicht gut drauf bin?
Wenn der Morgenwind hustet und prustet
Und ich kaum gegen ihn laufen kann,
Wie soll ich da lächeln?
Meine Last bleibt mein, ich schließ sie ein, in einen Käfig aus falschem Gold,
Aus Glück und einem Lächeln - ich muss ja freundlich aussehen!
Was alle denken, wieso drehen sich die Gedanken nur um die Anderen und nie um mich,
Werd übersehen, man erkennt mich nicht.
“Aber Schätzchen, vergiss nie zu lächeln, dann siehst du doch viel freundlicher aus!”
Und wenn die ganze Welt sich gegen mich verschwört,
Mich der ganze Charme nicht mehr betört, sondern stört und anwidert,
Wenn Lüge und Heuchelei auf meinen Magen schlagen,
Soll ich den Mund schließen und gar nichts sagen?
Wie soll ich da lächeln?
Als ob ein Lächeln lässt verschwinden meine Probleme, meine Sorgen und Wehwechen,
Meine Weste wieder weiß bleicht oder vielleicht auch einfach nur fürs Morgen reicht.
Ich kann, ich soll, ich will nicht trügen, mich nicht selbst belügen,
Ich will zeigen, was ich fühle, wie mir ist und wo mir der Kopf steht,
“Schätzchen, vergiss das mit dem Lächeln, ich will nicht freundlich aussehen!”
Ich will lächeln, wenn mir danach ist,
Wenn sich keine Sorge in meine Gedanken frisst,
Mich kein Dämon um den Schlaf bringt,
Meine Tränen versiegt sind,
Wenn ich glücklich bin, dann lächel ich.
“Schätzchen, vergiss das mit dem Lächeln, ich mach’s nicht ohne Grund!”
Statt Phrasen und leere Blasen voller Worte ohne Sinn,
Wie wär’s mit “Taten sprechen lassen”, es nicht bei Sprachgedöns belassen
Und damit, mich einfach zum Lächeln zu bringen?
Wenn wir alle nur lächeln würden, weil uns jemand dazu bringt, nicht weil jeder danach ringt, Zwanghaft glücklich und immer freundlich zu wirken,
Wär’s nicht schöner ehrlich sein zu dürfen?
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