Am Grabe der Mutter

Noch liegt der Friedhof da im Morgentraum,
Ein Finkenlied nur tönt vom Lindenbaum,
Noch sind die Gräber rings vom Frühtau naß,
Grüngoldene Lichter huschen durch das Gras.

Das ist die Zeit, da sitz' ich gern allein
Bei dir, mein süßes, süßes Mütterlein!
Da weil' ich vor des Tages rauem Gang
Bei dir noch eine Viertelstunde lang.

Die Nachbarin spricht immer auf mich ein,
Wenn ich dich liebte, sollt' ich fröhlich sein!
Du littest so! Nun gehst du schmerzbefreit
Durch lauter Schönheit, lauter Seligkeit! -

Ach ja, ich weiß, du wirst im Himmelsschein
Gewiß die Holdeste von allen sein,
Und haben dich die Engel erst erkannt,
Sie gehen wohl nicht mehr von deiner Hand!

Ich will ja auch nicht stören deine Ruh',
Ich lächle dir ja unter Tränen zu. -
Wenn's hier nur nicht so öd', so öde wär'! -
Ach, ohne Mutter, Mütterlein, ist's schwer!

Autor: Frieda Jung

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